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Rezension zu "Kalteis"

von Andrea Maria Schenkel

 

Diese Frage stelle ich mir nach Lektüre des 154 Seiten schmalen Bändchens, das sich sogar Roman nennt: für mich Hochstapelei, für die der Verlag verantwortlich sein mag.

Inhalt und Stil indes verantwortet die Autorin, wobei situationsgemäße Sprache als stilistisches Pflichtprogramm vor der eigentlichen literarischen Kür anzusiedeln wäre. Erstere beherrscht sie zwar, soweit Einfühlung in Charakter und Situation verlangt wird, wenngleich bayerisches Lokalkolorit samt Mundart ins Hochdeutsche übertragen notwendig verloren geht. Der Serienmörder Kalteis hätte ebenso gut im Bergischen Land oder Niederschlesien seiner Lust frönen können, und Dirndl, wie sie ein Opfer trug, waren während der Nazizeit als quasi völkische Tracht im ganzen Reich gern gesehen. Nochmals: Ist das noch Literatur?

Wohl noch, wenn wir das kunstvergessene Ideologem einer Germanistik im Gefolge der 68-er, zumal des sogen. 'Bremer Kollektivs' anlegen, die überall, vom Gebrauchstext bis zum verbalen Durchfall Literatur zu finden wähnte.

Nicht, wenn verdichtete Sprache in exemplarischer Situation Antwort zu geben sucht auf Grundfragen unserer Existenz, wozu ich dokumentarische Geschichten um Triebtäter wie Lustmörder nicht rechnen möchte. Diese Thematik sollte mit gutem Grund dem Fachjournalismus vorbehalten bleiben, und an Einspürung, gut recherchierten Fallberichten fehlt es seit dem Knabenschlächter Jürgen Bartsch nicht (beispielhaft und stilbildend der Spiegelautor Gerhard Mauz).

Meine Frage, wenn schon Mord und Totschlag: Wozu als Krimiautor über 70 Jahre alte Leichname wieder beleben, wo es genug frische Leichen gibt? Defekte Täterpsychen und Gewalt bietet unsere Zeit ebenfalls, Ehrenmorde mit islamistischem Hintergrund, Bandenkriminalität usw.: alles Abgründe, in die zu blicken, einen schaudert. Dazu aktuelles Versagen von Verantwortlichen und Behörden, dem nachzuschreiben sich lohnt. Gutes Journalistenfutter, vielleicht der eine oder andere Fall sogar Stoff für Literatur, nicht aber für modische Allerweltseinfühlung wie hier.

'Kalteis' jedenfalls ist längst verwest,- und das in jeder Hinsicht.

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