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Lüge. Wahnsinn. Druckerschwärze.

Abenteuerliche Ausfahrt und Prüfungen eines Buches unterwegs zum Orte der Verheißung (2006)

 

Ein Lockruf zu geistigen Abenteuern bin ich, ja, das Abenteuer selbst für alle, die mir folgen wollen. Und das Beste: Meine Einfälle sind so zahlreich wie Flöhe im stachligen Fell des Igels. Ungewöhnlich stellt sich dieses Buch vor: In der Tradition europäischer Schelmenromane erzählt es seinen Weg vom Augenblick der Zeugung durch den Geist bis zum Eintritt der Marktreife. Zahlreiche Prüfungen und Begegnungen begleiten seine abenteuerliche Ausfahrt zum geheimnisvollen Orte der Verheißung und der prompten Wunscherfüllung. Das Buch macht zwiespältige Erfahrungen mit dem modernen Verlagswesen, trifft unterwegs so unterschiedliche literarische Figuren wie Karl von Moor, Kapitän Nemo oder H. S. Thompsons Vegas-Freaks und lernt Autoren von Weltruf kennen, sowie einen Literaturkritiker auf der Suche nach dem vollkommenen deutschen Roman. Es verspottet die Persönlichkeitsspaltung seines Erzeugers und hat selbst ein Identitätsproblem, schwankend zwischen der vergänglichen Gestalt binärer Impulse und erträumter ewiger Natur. Die meist skurrilen Zwischenfälle kommentiert es respektlos, naiv und altklug, poetisch und gallig und bietet so ein ungewohntes Lesevergnügen.

 

Anmerkung (nicht im Buch enthalten): Die geneigten LeserInnen mögen bedenken, dass dieses Buch naturgemäß erst nach tastenden Versuchen voller Assoziationen zu seiner Form, das heißt zu sich findet, indes Abschweifungen jeglicher Art typisch für die Gattung sind.

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Verzeichnis der phantastischen und belehrenden, teils Angst, teils Heiterkeit erzeugenden Begegnungen und Prüfungen unterwegs zum Orte der Verheißung

 

Das erste Kapitel S. 9
berichtet von den Umständen meiner Zeugung, wobei es keiner stehngebliebenen Standuhr bedurfte

 

Das zweite Kapitel S. 38
erzählt von überraschenden Metamorphosen, ersten Erfahrungen mit Schein und Wirklichkeit, Dichtung und Wahrheit, kurz: Bio oder nicht Bio

 

Das dritte Kapitel S. 62
Auf der Suche nach der Macht folgen wir verschiedenen Wegweisernund geraten in Sackgassen

 

Das vierte Kapitel S. 79
handelt von der Schifffahrt und einer Messe der Reiseveranstalter. Unterwegs begegnen wir zwei Reisenden auf einem Floß und einem alten Fischer in seinem Boot

 

Das fünfte Kapitel S. 104
Es kommt zur Fehlgeburt, und Intrigen führen zur Aussetzung auf einer einsamen Insel. Ein Boot, das uns dort aufnimmt, droht in den Stürmen der Zeit zu kentern

 

Das sechste Kapitel S. 114
erzählt von unserer Rettung und der unglaublichen Reise in einem Unterwasserfahrzeug; ich erfahre eine Geschichte von Walen und Menschen, und wir werden wegen Moralisierens ausgesetzt

 

Das siebente Kapitel S. 152
Nachdem wir vom Kapitän ausgesetzt wurden, bietet ein Geistseine Dienste an und führt uns noch am gleichen Tage zu einem alten Freund

Das achte Kapitel S. 174
Der Zufall und ein Reisebus bringen uns mit zwei Abenteurern französischer Abkunft zusammen, und ein Propellerflugzeug mit seinem französischen Piloten vollführt eine Notlandung

 

Das neunte Kapitel S. 209
Wir treffen im Zug auf Psychoanalytiker unterwegs nach Wien, den Träger einer schwarzen Uniform und sein Opfer, einen närrischen Berufsreisenden und experimentieren unter Anleitung unseres Reiseführers mit der Möglichkeitsform

 

Das zehnte Kapitel S. 265
erzählt von einem neuen Reisekameraden, wie wir als Anhalter mehr über den amerikanischen Traum erfahren und am Abend mit den Bewohnern eines gallischen Dorfes feiern

 

Das elfte Kapitel S. 279
Nachdem wir das Rätsel des Grenzhüters zu lösen versuchten, gelangen wir ins Land der Mythen und Märchen, und unser dänischer Reisekamerad balanciert zwischen Traum und Wirklichkeit

 

Das zwölfte Kapitel S. 300
Meine Mutter erzählt die Parabel vom Angstbeißer, und wir übernachten an einem See, der ein düsteres Geheimnis birgt

 

Das dreizehnte Kapitel S. 315
erzählt vom märchenhaften Ritt mit einer schwäbischen Karawane durch Wüste und Bergland; wir treffen einen Sohn der Deutschen mit seinem Diener und einen Schwerstarbeiter

 

Das vierzehnte Kapitel S. 333
Im gefährlichen Grenzgebiet von Realität und Mythos treffen wir auf ein fliegendes Bollwerk, ein alter Bekannter bringt uns über den Fluss, und wir übernachten neben einem Scheiterhaufen

 

Das fünfzehnte Kapitel S. 350
Wir retten zwei Menschen aus einem Brunnen, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat, und unsere Reisegruppe vergrößert sich um einen verspäteten Ritter mit seinem Knappen sowie einen verirrten Regionalplaner

 

Das sechzehnte Kapitel S. 367
Der spanische Grande wechselt die Dame seines Herzens, wir erfahren vom Gang eines anderen Wahnsinnigen durchs Gebirge und unterhalten uns über die Beziehung von Glück und Literatur. In den Wipfeln spricht die Baumfrau über praktischen Idealismus

 

Das siebzehnte Kapitel S. 392
Ein Literaturwissenschaftler auf der Suche nach dem makellosen zeitgenössischen Roman stößt zu unserer Gruppe; wir erhalten poetischen Besuch und steigen ins Hochgebirge auf

 

Das achtzehnte Kapitel S. 413
Wir erreichen ein Sanatorium im Hochgebirge, wo es zu einer überraschenden Begegnung kommt, und fallen für einige Wochen aus der Zeit

 

Das neunzehnte Kapitel S. 447
Wir verlieren unseren dänischen Reisekameraden an eine verrückte Teegesellschaft und scheitern an den strengen Mittlern

 

Das zwanzigste Kapitel S. 462
Die wahre Natur unseres Ziels enthüllt sich, und auf uns wartet die letzte Versuchung

 

Danksagung S. 489

 

Anhang S. 494
Ungehaltenes aus den Papieren des Dr. phil. Friedrich Reinmar

 

Autoren- und Verlagsverzeichnis S. 516 f

REZENSIONEN

Zu Lüge, Wahnsinn, Druckerschwärze (Abraxas)

In der Tat, zuviel verspricht der Rückentext nicht: da wird in seltener Fabulierfreude, zugleich scharf satirisch die Autobiographie eines Schelmenromans geboten, in der sich skurrile Situationen geradezu häufen: Man stelle sich vor, da geht eine Autorin, eigentlich ein frustrierter Autor, mit diesem unfertigen, aber vorlauten Buch schwanger, zusammen mit dem Geist der Erzählung (hinter dem kein Geringerer als Th. Mann steckt), ihrer verschlungenen Wege und trifft auf zwei zechende, dazu bekiffte Vagabunden. Sie geben sich als Villon und Kerouac zu erkennen, und solche Dialoge vernahm man noch nie, doch was sich vordergründig als hemmungslos grotesk ausnimmt, steckt voller Hintersinn, wenn nicht Tücke. Gewiß, nichts für bierernste Gemüter. Oder: Auf der Nautilus versammeln sich Nemo, Karl Moor und Raskolnikoff, anderswo Don Quijote, Andersen und Kafkas zum Regionalplaner aufgestiegener Landvermesser. Man begegnet dem offenbar völlig ausgeflippten Carroll, der sich, ausnahmsweise wahrheitsgetreu, als Meister des Fliegenpilzes erweist. An bizarren Figuren herrscht kein Mangel: da gibt es ein Schiff voller Kapitäne oder einen Eisenbahnreisenden, der aus den Bahnpannen einen einträglichen Beruf macht, woraus eine eigene Satire erwächst, und andere mehr. Es ist sicher der erste Roman, den alte und neue Rechtschreibung und ihre unabsehbaren Konsequenzen nebeneinander tragen.

Und (fast) immer geht es um Literatur, daß einem Hören und Sehen vergeht. Hier ist Schluß mit dem albernen 'Ich bin o.k., du bist o.k.' Nicht nur kenntlich(?) verschlüsselte Exponenten des Literaturbetriebs bekommen ihr Fett weg, hier wird mit Fehleinschätzungen und Marktgeschrei gründlich und ausführlich aufgeräumt. Einen besonderen Höhepunkt setzt das Schlußkapitel, als nach langen Irrfahrten endlich der Markt erreicht wird. Da zieht eine mephistophelische Figur die Fäden, und entsprechend teuflisch geht es da her, bis zur erbaulichen Hinrichtung von Debutantinnen und anderen Lustbarkeiten, eben wie im wahren Leben / Markt. 
Dieser Roman wird Ärgernis geben, wenn nicht Skandal machen, wenn er denn bekannt würde. Daran aber kann niemand im Betrieb Interesse haben, weshalb er nur in einem kleinen Verlag erscheinen konnte. 
Doch auch die bissigste Satire ist kein Selbstzweck, es geht um eine bessere Literatur und um das Generalthema des Scheiterns von Figuren und Autoren (selbst partiellem wie bei Th.Mann). Anderen Anliegen gelten eigene Parabeln, eindringlich poetisch 'Die kleine Seejungfrau': Selbst das Prosagedicht ist möglich, I.L. Ruff spielt auf der Klaviatur der Sprache wie wenige Zeitgenossen.

Das volle Vergnügen schöpft sicher nur ein Literaturkenner aus, so reichlich finden sich offene und versteckte Zitate, doch bleibt genug für Liebhaber ohne Spezialkenntnisse, vorausgesetzt, sie verstehen genau zu lesen und wissen, daß die mäandernde, scheinbar wuchernde Erzählweise untrennbar zur Gattung gehört. Weiterhin muß das Buch in statu nascendi erst zu seiner Form finden, also geraten die Anfangskapitel leicht chaotisch. 
Es gibt nichts auch nur entfernt Ähnliches, dieser tiefsinnige Roman ist neuartig, anders als die vorfindlichen ausgelutschten Themen. Und dabei von seltener Ausnahmequalität. Klar, wer so gnadenlos vom Leder zieht, der muß sich seiner sicher sein. Weiterführende Informationen auf literatur.i.l.ruff.de.vu. Erstaunt sieht man, wie plötzlich mit Trojanow und Ruff etwas aufbricht, was keiner mehr erwartete: Deutsche Literatur von Rang, eigenhändig illustriert und ein Schnäppchen / Seitenpreis. Was will man mehr?


5.0 von 5 Sternen Nachblüte großer Tradition, 31. Oktober 2007  (Threnoi)

Das ist ein außerordentlich reiches, hintersinniges und wertvolles Buch, das allenfalls solchen Lesern Schwierigkeiten macht, die fundamental ungebildet sind oder sich nicht auf Romanciers wie Sterne, Jean Paul oder auch die Schelmenromane von Grass einzulassen wissen. Auch hier ist ein bedeutender Humor am Werke, der eine Fülle von ungewöhnlichen Gestalten und grotesken Situationen vorführt, dessen Mittel von leiser Ironie bis zu bissigem Sarkasmus, ja sogar offenem Hohn reichen. 
Mutig stellt es den gesamten verkommenden Literaturbetrieb schonungslos bloß. Sicher kann man dem ganzen Wahnwitz nur noch satirisch beikommen, der sich übrigens leicht auf jeglichen umfassenderen Wahnsinn anwenden lässt. Sollte dieser Roman wider Erwarten, weil gegen den Markt und die Konzerne, bekannt werden, wird ein Aufheulen und Winseln durch die »literarischen« Pflegeheime rasen, und all die kleinen Talentchen und die Nichtigkeiten rühmenden »Kritiker« werden einen Feldzug dagegen eröffnen. Das verspricht spannend zu werden.

Allerdings bleibt es nicht dabei, da gibt es einen leicht verstiegenen Literaturwissenschaftler auf der Suche nach dem makellosen zeitgenössischen Roman, der immer wieder große Streitgespräche vom Zaun bricht, dabei auch offenkundige Vorbilder I.L.Ruffs nennt und auf einige erstrangige, aber unterschätzte Erzähler hinweist wie O. Ludwig oder E. Jünger. Es wird also dargelegt, was gute Romane ausmacht. Zusammen mit dem doppelsinnig »Ungehaltenen« aus dem reichen Anhang voller Essays wird sogar eine Poetik entworfen. 
Polemische Auseinandersetzungen über Kunst und Ästhetik waren früher integraler Bestandteil gerade bedeutender Romane, doch entschliefen sie mit der Gruppe 47. Ihre Wiederbelebung war angesichts postmoderner Beliebigkeit längst überfällig, sofern Literatur überhaupt noch etwas bedeuten soll.

I.L.Ruff scheint daran zu glauben, und das nenne ich Optimismus. Mit seinem funkelnden Stil jenseits aller modernistischen Mätzchen und seiner Gedankentiefe ist auch dieser höchst anspruchsvolle, erfreulich wertkonservative Roman ein Nachgeborener der alten europäischen und besonders deutschen Hochkultur, aber keinesfalls epigonal. Denn neue Wege vermag Niemand mehr zu bahnen, oder gar wie einst Sinn zu stiften, denn dazu müsste sich erst die Welt radikal ändern, so dass neue Deutungsansätze möglich würden. Wie Trojanow sucht I.L.Ruff die tiefgreifende Kulturkrise zu diagnostizieren und diszipliniert und entschlossen gegen sie anzuschreiben. Der Roman singt auch ein Loblied verständigen Lesens, und im Bewusstsein verfallender Lesefähigkeit und Bildung kann man nur darauf hoffen.

Mehr kann man nicht erwarten, man muss froh sein, dass hier offensichtlich eine späte Nachblüte unserer großen und eigentlich verpflichtenden Tradition mit aller Macht aufbricht. Ob sie den eisigen Frost allgemeiner Geldgier überlebt und fruchtet, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hätte ich ohne sie keinen Anlass gesehen, hier überhaupt zu rezensieren.

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