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Rezension zu "Salammbô"

von Gustave Flaubert

Dieser von Lesern und Kritik eher vernachlässigte Roman Flauberts zeigt alle Merkmale seiner Kunst, besonders seiner überlegenen Disposition, allerdings themengerecht in orientalisierende Farbigkeit getaucht.

So genau forschte der Autor, dass wir auch heute wenig Sachkorrekturen anzubringen hätten; denn entscheidend hat sich unser Wissen seither nicht vermehrt. Die Archäologie lehrte uns das Alltagsleben Karthagos besser kennen, doch historisch bleiben wir auf zumeist feindselige zeitgenössische Zeugnisse angewiesen.

Zwar greift Flaubert mit dem Söldneraufstand einen kritischen Abschnitt der karthagischen Geschichte während der Knabenjahre Hannibals auf, allerdings einen, den sich die Stadt leichtfertig infolge der Verweigerung vertraglicher Forderungen zugezogen hatte: angesichts des labilen Friedens mit Rom aberwitzig anmutend. Schließlich muss der Vater Hannibals aus dem Exil zurückgerufen werden. Das sich nunmehr vollziehende grausame Geschehen ist nicht zur Zerstreuung zarter Nerven geeignet.

Historische Persönlichkeiten behandelt Flaubert mit Delikatesse, setzt mehr auf Außensicht als Seelenwühlerei und unterscheidet sich damit wohltuend von der verlogenen 'historischen' Pseudoliteratur unserer Tage. So rettet er diesen Roman, den er selbst als sein Hauptwerk betrachtete, für die Literatur.

 

Fragen mag man allenfalls, warum er keine der großen Katastrophen wie nach dem 2. Punischen Kriege oder dem römischen Endsieg wählte.

Vielleicht, weil die Stadt hier die lebensbedrohliche Krisis letztlich selbst verschuldete, freilich aus den gleichen Gründen:

Geldgier und Knausern am falschen Ort kennzeichneten die Spätzeit dieser eigensüchtig zerstrittenen Adelsrepublik, die zudem jedes Mal zulange zögerte, das Unvermeidliche ins Werk zu setzen. Ferner konnte sie den Ruhm verdienter oder gar genialer Führer nicht ertragen, sabotierte vielmehr deren Feldzüge und trieb sie schließlich sämtlich aus der Heimat. Vermutlich liegt hier der eigentliche Grund; denn ohne Initiative und Nutzen aller Chancen kann keine Handelsmetropole gedeihen. Worüber Karthago endlich stürzte, wird also wie in einem Brennglas deutlich.

Raffgier, Treulosigkeit samt Selbstüberhebung und Trägheit (das Kriegshandwerk besorgten fast ausschließlich Söldner) machten es dem römischen Erbfeind leicht, dessen Legionäre von Idealen wie Vaterlandsliebe und Sendungsbewusstsein erfüllt waren, wenngleich zum Teil von den Mächtigen vorgeschoben...

Wie seine Zeitgenossen war Flaubert fraglos fasziniert von der Archäologie, anders hätte er sich kaum in derart aufwendige Studien gestürzt und Helfer bemüht, da er der alten Sprachen nicht mächtig war: Insofern rechtfertigt sich das Werk aus sich selbst. Gleichermaßen hielt er seiner eigenen von Dekadenz, kapitalistischer Großmannssucht und dem Verrat revolutionärer Ideale bestimmten Zeit auch einen Spiegel vor.

Zugegeben, Salammbo hat mit den Jahren etwas Patina angesetzt und unserer Zeit eher auf Umwegen etwas zu sagen. Trotzdem bleibt der Roman lesenswert und - obwohl lehrreich - durchaus spannend, wenn auch ohne die knallige Rezeptur moderner Historienschinken.

- Dr. Phil. F. Ruff

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