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IV. 1 Corona Niemand kann sich abschotten

IV.2. Corona: Niemand kann sich abschotten (Nachrichten aus dem ersten Lockdown)

Ein Gespräch über die Corona-Krise, die Wirtschaft und die Menschenrechte (ZEIT Nr. 17, S. 43f)

Auf die Eingangsfrage, ob Epochenwende, Geschichtszeichen oder "nur" eine normale Pandemie

fallen viele Schlagworte, vom Kantschen Imperativ, über die Katastrophe, die Einsichtsfähigkeit, gemeinsame Betroffenheit von Problemen, die es kooperativ zu lösen gelte. Die "Vernetzung von Waren, Informationen und Personen" wird als Träger des Problems gesehen, usw:"Weltfrieden, Klimakrise, das absolute Unrecht unseres Wohlstands, der sich dem Übelstand des globalen Südens verdankt (bescheidene Zwischenfrage: Wer ist der globale Süden?) globale ökonomische Krisen und Pandemien, vor allem auch solche, die durch die Medizin und die Profitinteressen der Pharmaindustrie verursacht werden."

"Frieden, Klima, Wohlstand und Gesundheit... globale allgemeine Güter, die nur durch internationales Recht, internationale Organisation und internationale Menschenrechte gehütet werden können". Die Meinungen von Virologen, Ökonomen und Verfassungsrechtlern seien gefragt (nur diese?) usw.

Zum Schluss die Vermutung, selbst die regelmäßige Wiederkehr von Pandemien werde zu keinem grundlegenden Wandel führen: das Eingeständnis weltweiten Unvermögens. Angesichts der beschworenen hohen Werte wie Frieden, internationale Menschenrechte u.a. ist das für mich bloßes Wortgeklingel, basierend auf unscharfen, oft tautologisch verwendeten Begriffen, inhaltsleeren Schlagworten ideologischer Sprache. Nicht überzeugend.

Diskussionen wie diese führen mich zur Überzeugung: Wir sind eine Gesellschaft von Sehgestörten, die über der Aufzählung des Wünschenswerten die Grundlagen des Lebens aus den Augen verlieren.

Wer - frage ich - sind die Schwächsten, für die unser Einsatz lohnen soll? Die an Corona Erkrankten oder die zur Quarantäne Verurteilten? Die in Flüchtlingslagern zusammen Gepferchten, die Slumbewohner und ihre Kinder oder jene Wanderarbeiter, denen sogar das Wellblechdach über dem Kopf fehlt? Sie alle mehr oder weniger hilfsbedürftig, aber doch Menschen, denen wir dank ihrer menschlichen Intelligenz Erkenntnis ihrer Situation, sowie den Wunsch und die Kraft, sie zu ändern, zutrauen.

Die Botschaft des Slumdog-Millionärs lautet: Jedem Menschen seine Chance und sei sie noch so gering.

Doch was ist mit dem aus einem Ei der Legebatterie geschlüpften Küken? Was mit der Rauchschwalbe, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht mehr im Kuhstall brüten darf und aufgrund der Ackerchemie keine Insekten zum Überleben findet? Wo ist die Chance für ein Kalb, das für die Produktion von hellfleischigen Schnitzeln von der Mutter getrennt und zum Vegetieren auf engstem Raum verurteilt wird? Wo ist die Chance für den an einem Bein aufgehängten Jungbullen? Seine verzweifelten Schreie gellen mir jetzt noch in den Ohren. Oder die für weitere Mutterschaften untaugliche Kuh? Ohne Raum, sich auszustrecken, ohne Nahrung und Wasser, wie es jedem fühlenden Wesen zusteht, werden sie über Ländergrenzen und Meere ihrem Schicksal zugeführt, ein Schicksal, wie Sadisten es sich schlimmer nicht vorstellen können - und wir brauchen die Vorstellung nicht einmal, da wir es wissen.

Wohin führen "Abstriche bei Klima und Artenschutz", wie ich es heute in den Nachrichten höre?

Dahin führen sie.

Exkurs: Vor fast 50 Jahren, beim Campingurlaub in Ungarn unterhielten mein Mann und ich uns mit einem Ehepaar aus Passau. Irgendwann landeten wir im 2. Weltkrieg, dann an der Ostfront, und entweder war eine gewisse Vertrauensbasis da oder das Bedürfnis zu sprechen zu groß. Der Ehemann erzählte, dass ihm zusammen mit Kameraden aufgetragen wurde, wehrlose Gefangene zu erschießen und dass er geschossen hatte aus Angst, den Befehl zu verweigern. "Hatte ich denn eine Wahl?" seine Frage. Nach 40 Jahren beschwerte die Frage immer noch sein Gewissen, seines und vielleicht das von einigen seiner Kameraden. Wohl der Grund, warum die Naziführung sich um die seelische Gesundheit der Einsatzkräfte sorgte, eine im Zivilleben unerwünschte Verrohung befürchtete. Das Töten im Rahmen der Endlösung eine zwar unangenehme, aber notwendige Pflicht, laut Himmler ein nie da gewesenes Ruhmesblatt der deutschen Geschichte....

Den Schritt von der Sorge um die eigenen Schergen zur Empathie für die Opfer schaffte die NS Führung leider nicht. Im Gegenteil: Mitleid mit dem Feind wurde unbarmherzig bestraft.

Wie steht es heute um unser Mitgefühl, wo es ums Töten geht? Wo bleibt unser Mitgefühl für die unschuldigen Schlachtopfer, aber auch unsere Sorge um die im Akkord Tötenden, weil sie anders ihren Lebensunterhalt nicht sichern können? Die Einen von der Schöpfungsordnung oder den Naturgesetzen in unsere Hand gegeben, die Anderen in einem Beruf wie jeder andere?

Ach, denken wir nicht darüber nach, so wie die Herren Professoren der ZEIT-Gespräche nicht darüber nach gedacht haben, so wie die meisten Entscheidungsträger der Politik nicht nachdenken über unsere Verantwortung gegenüber der Natur und ihren schwächsten Kindern.

Fazit: das Los der Tiere zu unerheblich, um erwähnt zu werden.

Pfui

Dagegen:

Wer die Verhältnisse bessern will, muss die Ursachen nennen.

Der Spiegel Nr. 17. vom 18.04. nennt sie beim Namen: die zahlreichen Anzeichen der globalen Krise, unsere teils leichtfertigen teils verbrecherischen Eingriffe in die Natur, spart die "industrielle Tierquälerei" nicht aus. ENDLICH.

Im Gegensatz zu vielen Befragten, die regelmäßig wiederkehrende Pandemien erwarten und resignieren, bzw. in ein weiter so nach bekanntem Muster flüchten, beschreibt Ullrich Fichtner eine bessere Welt, die sich aus der Krise entwickeln kann. Genial das Titelbild mit der Vision einer neuen Schöpfung .

Hoffen wir, dass "Nachhaltigkeit" Programm wird in einem "Europa, das schützt" und wieder ein Europa der offenen Grenzen sein wird. Mit den Worten Ullrich Fichtners: "Die Korrektur kann nun beginnen."

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